Vorgucker Nikolausi
Eine Szene kurz vor Ostern: „Nein, das ist Osterhasi!“ Am Anfang hat der Vater noch alle Geduld, geradezu lieblich säuselt er seine Beteuerung, bei der im Schaufenster entdeckten Schokoladenfigur handele es sich nicht um den Nikolaus. Doch das zarte Stimmchen des Sprösslings bleibt beharrlich: „Nikolausi.“ „Nein, Osterhasi!“ „Nikolausi.“ – und irgendwann verliert der Vater seine Ruhe.
Manche fühlen es ihm nach in diesen Tagen, denn sie brauchen viel Geduld – in den Wohnungen, in denen Homeoffice und Spieltiger um die Vorherrschaft streiten und Kindern und Eltern die Oma fehlt, die Disco, eine Perspektive auf der Arbeit und einfach mal ein bisschen Ruhe.
Morgen kommt der Nikolaus. Ein frommer Mann, der vor etwa 1700 Jahren mit dem, was er hatte und tat, anderen leben half. Als Erinnerung an ihn gibt es am 6. Dezember kleine Gaben – ein Art Vorgucker auf Weihnachten.
„Bist Du auch brav gewesen?“, fragt der Nikolaus. Er unterscheidet zwischen den Lieben und den anderen. Dass das notwendig ist, erleben wir im Miteinander, gerade dann, wenn es eng wird. Wir brauchen Regeln, damit wir gut zusammen leben können. Und manchmal ist Schuhe putzen ein Anfang.
Und zugleich ist genau deshalb Nikolaus eben nur der Vorgucker – und Weihnachten die Erfüllung. Das Kind, auf das wir warten, das fragt nicht, ob ich brav war oder nicht. Das Christuskind liegt einfach so da, in der Krippe, und im übertragenen Sinne mir im Arm und klopft an mein Herz, ohne nach seiner Güte zu fragen. Das ist Weihnachten: die Rede von einer Liebe, für die ich nicht brav gewesen sein muss, kein Osterhasi, kein Nikolausi, aber die Geburt Jesu Christi. Nähe, ohne Wenn und Aber.